![]() |
![]() |
|
|
Ein besonderes Theater ist das „Figurentheater Mottenkäfig“ im Pforzheimer Stadtteil Brötzingen. In einem denkmalgeschützten Gebäude auf dem Areal des Stadtmuseums kann der Zuschauer das ganze Spektrum des Figurentheaters erleben. Was ist Figurentheater? Figurentheater ist kein neues Wort für Puppentheater, sondern ein Oberbegriff für eine Theatergattung, die in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung vollzogen hat. „Puppe“ scheint als Bezeichnung für das, was die Spieler als Instrument ihrer Darstellung benutzten, nicht mehr ausreichend. Die Marionetten, Stabfiguren, Masken, Objekte oder Schattenrisse sind alles andere als niedlich oder „puppig“. So hat sich mehr und mehr der Begriff „Figurentheater“ durchgesetzt. Längst hat man die Grenzen des traditionellen Puppenspiels hinter sich gelassen, das seine Wurzel im Jahrmarkttheater und Wanderbühnengewerbe hatte. Die Enge des Guckkastens und das Verstecken hinter einem Paravent wurde ebenso aufgebrochen, wie das Festhalten an dem festgefahrenen Figurenrepertoire von Kasper, Teufel und Prinzessin. Die Auseinandersetzung mit der Theaterfigur als materialisierte Rolle brachte eine Entwicklung ins Rollen, die bis heute anhält. Die unglaubliche Vielfalt und die schier unbegrenzten Möglichkeiten machen das Figurentheater zu einem der spannendsten Medien im Kunstbereich. Der Spieler bleibt oftmals sichtbar und wird aktiver Bestandteil einer Inszenierung. Der Gestaltung der Figuren kommt jetzt besondere Bedeutung zu, denn Größe, Materialwahl, Farbe, Animationstechnik und anderes tragen, neben dem Aussehen, zur Charakterisierung der Rolle bei.
Was kann die Figur? Während ein Schauspieler in seine Rolle hineinschlüpft, sie also „verkörpert“, hat der Figurenspieler eine materielle Gestalt neben sich, die es zu beleben gilt. Der Figurenspieler muss ebenso wie der Schauspieler die erforderlichen Emotionen für die Rolle in sich erzeugen und auf die Figur, die er in der Hand hält oder am Körper trägt, projizieren. Der Gestaltung einer Figur sind aber keine Grenzen gesetzt: vom amorphen Stoffknäuel über Alltagsgegenstände bis hin zur gestalteten Figur - alles kann zum Rollenträger werden. Die Übertreibung, die Abstraktion und die Darstellung einzelner Wesenszüge sind dabei die größten Stärken der Figur. Die Faszination, die ein zum Leben erwecktes „Material“ auslöst, ist auch heute noch ein ungeklärtes Phänomen.
Was zeichnet das Figurentheater von Raphael Mürle aus? Schon sehr früh begann Raphael Mürle mit dem Puppenspiel. Mit 7 Jahren baute er die erste Marionette. Später entstanden komplette Figurensätze für Märchen. Schon vor dem Studium für Figurentheater entstand ein erstes Abendprogramm, nämlich „Szenen mit Marionetten“. Das Studium im Studiengang Figurentheater an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart brachte schließlich eine fundierte Ausbildung und erweiterte den Horizont in alle Richtungen. Die Begrenzung auf eine Figurentechnik, nämlich die Marionette, wurde aufgehoben und die Sprache fand endlich Einzug in das Repertoire. Als Diplomarbeit wählte Raphael Mürle das dramatische Fragment „Der Gruftwächter“ von Franz Kafka und zeichnete damit auch die Richtung für die zukünftige berufliche Theaterarbeit vor. Nicht Faust, Kalif Storch oder Zauberflöte, sondern ungewöhnliche, skurrile, ja absurde Vorlagen meist aus der Theaterliteratur sollten auf seiner Bühne umgesetzt werden.
Ist Raphael Mürle nur Figurenspieler? Raphael Mürle ist nicht nur als Spieler und Figurenbauer unterwegs, sondern auch als Regisseur, Dozent und Berater. Regieaufträge führten ihn nach Dortmund, Rottweil oder Arbon in der Schweiz. Im Kulturhaus Osterfeld hat er das Bühnenbild für „Das Totenfloß“ von Harald Mueller geschaffen.
Aber Raphael Mürle steht ja nicht nur als Solokünstler auf der Bühne? Einige herausragende Kooperationen sind durchaus erwähnenswert. So entstand 2013 die Gemeinschaftsinszenierung „Am Anfang war die Kuh“ mit dem Stadttheater Pforzheim unter der Regie des Schauspieldirektors Murat Yeginer.
Wie sieht die Zukunft des Figurentheaters aus? So langsam stellt sich die Frage des Generationenwechsels. Junge Nachwuchstalente sollen aufgebaut werden, die das professionelle Figurenspiel in Pforzheim weiterführen können. Die gebürtige Pforzheimerin Susann Würth (Theater option orange) hat 1998 ihr Puppenspieldiplom in Berlin erworben und ist seitdem auch in Pforzheim präsent.
Außerdem kehrt die junge Pforzheimerin Myriam Rossbach (Theater myre ro) nach ihrem Festengagement am Theater Koblenz (Puppenspielsparte) in ihre Heimatstadt zurück. Sie hat von 2010 – 2014 an der Ernst Busch Schule in Berlin Puppentheaterkunst studiert und bereichert seit 2018 die Pforzheimer Kulturszene mit ihrem Spiel.
Impressum / Datenschutzerklärung
|
|
||||||||||
|